Der
Rohstoff
Ein
sehr gutes Beispiel für pflanzliche Leichtbauweise ist der natürliche
Bauplan des Grases.
Es wird vielen physikalischen Anforderungen gerecht: Rund, leicht,
hohl, gekammert, biegsam und sehr elastisch ist es auch wasserfest
und wasserdicht, also insgesamt hoch belastbar. Die lackartige
Oberfläche der Halme bewirkt eine hohe Widerstandsfähigkeit
gegen Feuer und Chemikalien. Eine Oberflächenbehandlung der
Halme wird daher nicht benötigt. Vergleicht
man Bambus mit anderen Werkstoffen, so ist er mit 40 Kilopond
pro Quadratmillimeter genauso reißfest wie Baustahl, in puncto
Härte kann man Bambus mit Eiche vergleichen.
Die enorme Flexibilität und Belastbarkeit zugleich zeigt sich
bei den erdbebensicheren Anwendungen im Gerüstbau in Asien.
Die Elastizitäts- und Biegeeigenschaften sind im Vergleich
zu anderen Holzarten mit Abstand die Besten. Bereits
nach 4-6 Jahren Wachstum kann Bambus geerntet und als Baustoff
verarbeitet werden. Er ist also ein schnell nachwachsender und
damit sehr ökologischer Werkstoff aus der Pflanzenwelt. Binnen
35 Jahren kann eine Pflanze bis zu 15 Kilometer verwertbare
Halme (Stämme) hervorbringen. Deswegen wären bei seiner breiten
Anwendung auch in westlichen Ländern keine wesentlichen Engpässe
bei der Versorgung mit Material zu erwarten.
Der
Feind des Bambus ist der Bohrkäfer „Dinoderus minutus“ . Seine
Larven sind gierig auf die Stärke im Halm, wo sie sich dann
auch in den porösen Zwischenräumen einnisten. Einmal befallen,
können ganze Bambus-Bauten innerhalb von 5 Jahren einstürzen.
Angesichts dieses Risikos übernahm man in Asien scheinbar die
langlebigeren Baustoffe aus der westlichen Welt. Es
wurde sehr viel an unterschiedlichsten Schutzverfahren gegen
den „Käferbefall gearbeitet, die meisten „Mittelchen“ waren
aber, wie auch hier im Westen die Anti-Holzwurm-Produkte, sehr
gesundheitsschädlich.
Der
Hamburger Professor Walter Liese hat aber mittlerweile ein umweltfreundliches
Verfahren entwickelt, wobei mit hohem Luftdruck der Bambussaft
aus den Halmen gepreßt wird. Die Käferlockspeise wird dann durch
eine Salzlösung ersetzt, die nur dem Schädling schadet. Auf
Bali und in Costa Rica wurden diese Verfahren bereits erfolgreich
eingesetzt. Auch
das Räuchern der Bambusstangen über stark rauchenden Feuerstellen
verhindert den Schädlingsbefall.
Anwendungen
Mit weit über
1000 Nutzungsarten von Bambus wird hier eine sehr große Bandbreite
abgedeckt.
Dächer, Böden,
Wände und Decken, Zäune, Gefäße, Nahrungsmittel und Küchengeräte,
Angelruten, Netze, Kleidungsstücke, Schiffe, Flugzeuge, Sonnenschirme,
Tabakpfeifen, Musikinstrumente, Papier, Matten und Waffen werden
aus Bambus gefertigt. Aber
wer weiß schon, daß die im Halm entstehende Kieselsäure, der „Bambuszucker“
ein Heilmittel gegen Astma ist oder daß man aus Bambus in China
Likör, in Tansania Schnaps in Burma Pfeilgift und in Vietnam Flugzeugtreibstoff
herstellt.
Alexander
Graham Bell zeichnete den ersten Ton seines Phonographen mit Hilfe
einer Bambusnadel auf. Sogar bei den grausamen Foltermethoden
der Roten Khmer in Kambodscha kam Bambus zur Anwendung.
Ein sehr breit
gefächertes Anwendungsgebiet ist die Architektur. Das Stuttgarter
Institut für leichte Flächentragwerke hat über 1000 bambusspezifische
Konstruktionssysteme aus aller Welt gesammelt. Die „Große Brücke“
in der chinesischen Provinz Sichuan überspannte 1000 Jahre den
Min-Fluß. Sie war eines der ältesten intakten Bambusbauwerke,
bevor sie im Jahre 1998 einer Überschwemmungskatastrophe zum Opfer
fiel.
Die Urmutter
aller Hängebrücken war aus nachspannbaren, 18 Zentimeter dicken
Bambuskabeln konstruiert und gehörte zu den Weltwundern der antiken
Ingenieurskunst. Die
spektakulärste Leistungsfähigkeit des Werkstoffes in puncto Flexibilität
und Belastbarkeit zeigen uns die mit Bambus eingerüsteten Wolkenkratzer-Baustellen
in Hongkong, Tokio oder Shanghai. In
Kolumbien und Costa Rica überstanden Bambusbauten als einzige
mehrere Erdbeben und nach dem Atombombenangriff auf Hiroshima
standen nur noch Bambuskonstruktionen in der sonst total zerstörten
Stadt.
Heutzutage
werden jährlich rund 20 Millionen Tonnen Bambus geerntet. Über
2 Milliarden Menschen weltweit verdienen Ihren Lebensunteralt
mit dem Erzeugen, Verarbeiten und Vermarkten von Bambus. Trotzdem
haben die westliche Zivilisation und deren Werkstoffe wie Beton,
Stahl und Plastik Bambus in Asien ins Abseits gedrängt. Es gilt
als „poor man’s timber, das „Holz des armen Mannes“. Dabei hat
er ökonomisch und ökologisch große Vorteile gegenüber den vermeintlich
„moderneren“ Materialien. |